André Herb: Interview zum 600. Pflichtspiel

Hallo André, du bist der erste Spieler, der sein 600. Pflichtspiel für den TSV bestreitet. Was bedeutet dir diese Bestmarke?

Darüber habe ich mir lange Gedanken gemacht. Zunächst bin ich einfach froh, diese Marke erreicht zu haben. Joe hat mich bereits beim 500. Spiel darauf gebracht, dass ich der erste Auerbacher mit 600 Spielen werden könnte. Leider haben wir an dem Spieltag meiner 600. Partie 1:2 in Weingarten verloren. Ich hätte lieber die drei Punkte mitgenommen anstatt die Marke zu feiern. Letztendlich sind danach aber viele Gespräche entstanden, selbst mit den Spielern aus der gegnerischen Mannschaft. Falls ich es noch nicht war, bin ich jetzt auf jeden Fall in den Chroniken des TSV Auerbach festgehalten. Insofern hat es schon eine gewisse Bedeutung für mich (schmunzelt).

Du bist nun seit weit über 20 Jahren als Aktiver dabei. Hat sich in dieser Zeit etwas an dir als Fußballer oder an deiner Einstellung zum Fußball geändert?

Tatsächlich hat mich die Corona-Zeit gelehrt, vieles nicht mehr so verbissen zu sehen. Mir wurde schlagartig bewusst, wie nebensächlich Fußball in dieser Zeit wurde und dass das Leben dennoch weitergeht oder es auch mal wichtigere Dinge im Leben gibt. Meine Einstellung hat sich jedoch nicht wirklich geändert, ich bereite mich weiterhin auf Spiele vor und versuche so wenig Trainingseinheiten wie möglich zu verpassen.

Springen wir mal zurück: Wann hast du angefangen Fußball zu spielen? Wie bist du dazu gekommen?

Dazu haben mich meine Eltern gebracht. Als ich fünf oder sechs war, stand ein Aufruf in unserem Gemeindeblatt. Ein Torhüter für die F-Jugend wurde gesucht. Zu dem Zeitpunkt hatte mein Vater im Garten oder im Wohnzimmer immer den Ball auf ein provisorisches Tor geschossen, in dem ich gestanden bin. Logischerweise haben wir auch immer zusammen die Sportschau im TV geschaut. Da passte der Aufruf im Gemeindeblatt ganz gut und ich bin direkt im Tor gelandet. Aber das war okay für mich. Mein Vater hatte mich durch das Kicken im Wohnzimmer und Garten indirekt darauf vorbereitet.

Du spielst schon immer für den TSV, das ist in der heutigen Zeit alles andere als selbstverständlich. Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt zu wechseln?

Ja, die Gedanken gab es. Da gab es unzählige Mannschaften, die mal angeklopft haben. Selbst vor Beginn der aktuellen Runde wurde ich noch kontaktiert (lacht). Als ich jung war, hatte ich schlichtweg Angst den Verein zu wechseln. Bei späteren Anfragen Mitte 20 bis 30 war einfach nicht das ultimative Angebot dabei. Ich war glücklicherweise durch meinen Beruf nie auf extra Geld angewiesen, weswegen mir eine hohe Prämie nicht so wichtig war. Für mich war es wichtiger, nach dem Spiel ein paar Bier zu trinken und zur Not die Möglichkeit zu haben, nachhause laufen zu können. Abschließend hat mich auch ein Gespräch mit einem meiner ehemaligen Mitspieler von einem Wechsel zurückgehalten. Er sagte: “André, was macht das für einen Unterschied, ob du A-Klasse oder Kreisliga spielst? Wenn, dann musst du mindestens in die Verbandsliga wechseln.”

Wie würdest du deine Bindung zum TSV beschreiben? Was macht den TSV für dich aus?

Der TSV ist für mich wie ein zweites Zuhause. Man fühlt sich verantwortlich, wenn irgendwo am Gelände etwas kaputt ist und versucht, es zu reparieren oder mit Leuten darüber zu sprechen, was man machen könnte. Der Verein gibt mir durch den Zusammenhalt, den wir haben, zusätzliche Sicherheit und auch das Gefühl, in eine Gemeinschaft zu gehören. Auch wenn man einmal aus privaten Gründen Hilfe oder Unterstützung braucht, findet man immer jemanden im Verein, der einem aushelfen kann. Das macht den TSV für mich aus.

Was war dein schönstes Erlebnis als Aktiver?

Mit Sicherheit sind das die beiden Aufstiege in die A-Klasse und die Kreisliga. Der Aufstieg in die A-Klasse war meine erste Saison bei den Herren und wir wurden ungeschlagen Meister. Beim Aufstieg in die Kreisliga sind wir zuvor einige Jahre immer wieder gescheitert und haben mehrere Jahre hintereinander Platz 3 oder 4 belegt. Es fühlte sich damals so an, endlich den erarbeiteten Lohn einzufahren. Die Saison war kein Selbstläufer. Jeder aus der Mannschaft und dem ganzen Verein hatte sich für das Ziel geopfert. Ganz besonders möchte ich hier unseren ehemaligen Spieler und SPA Misko hervorheben. Ohne ihn und seinen Einsatz vor der Saison wäre der Aufstieg nicht möglich gewesen.

Was das schlimmste/dramatischste?

Da gab es Gott sei Dank nicht so viele. Ich bin niemals mit der ersten Mannschaft abgestiegen. Besonders dramatisch war die verlorene Relegation im Aufstiegsspiel zur Landesliga 2016. Es hat bis zum Elfmeterschießen gedauert, um als Verlierer vom Platz zu gehen. Jedoch kann nur eine Mannschaft gewinnen und das war an dem Tag leider nicht der TSV Auerbach. Ansonsten sind unnötig hoch verlorene Spiele für einen Torhüter immer schlimm. Das kam auch dieses Jahr in der Vorrunde vor. Das muss man abhaken und sich auf das nächste Spiel fokussieren. Aber es nervt mich dennoch, wenn auch nicht mehr so lange wie früher (schmunzelt).

Wie siehst du deine Rolle in der Mannschaft? Manche deiner Mitspieler waren ja noch nicht mal geboren, als du dein Debüt bei den Senioren gegeben hast – Vor- oder Nachteil?

Mir war das die ganze Zeit noch gar nicht bewusst, dass manche Mitspieler oder Gegner zum Zeitpunkt meines ersten Spiels noch gar nicht geboren waren (lacht). Aber wenn ich so darüber nachdenke, gab es doch schon einige Situationen, bei denen mein Gegenüber mir sagte, das kenne ich nicht oder habe ich nicht miterlebt. Ein gutes Mannschaftsgefüge hängt aber nicht vom Alter der einzelnen Spieler ab. Ich denke, eine konkrete Rolle habe ich nicht bzw. keiner von uns. Wenn aber einer der jüngeren Mitspieler irgendwelche Sorgen oder Fragen hat, wenden sie sich gelegentlich an mich.

Hast du ein fußballerisches Vorbild?

Als ich jung war, Oli Kahn und Andreas Köpke. In meinem jetzigen Alter gibt es da aber keins mehr. Buffon, der noch älter ist als ich, kann man sicherlich als Musterprofi im Torhüter-Bereich sehen. Ich bewundere ihn für seine lange Karriere auf Top-Niveau. Aber wie gesagt, ich bin weit davon entfernt, ihn als Vorbild zu sehen.

Was begeistert dich am Amateurfußball?

Hauptsächlich, dass man einen geregelten Wettkampf untereinander austragen kann und es nach dem Spiel dann auch wieder vorbei ist und man sich die Hand schütteln kann. Die Stimmung wird zwar immer mal hitzig, auch mit den Zuschauern. Aber es gibt in der Regel keine Ausschreitungen. Solche Zustände vor oder nach einem Schalke-Dortmund Spiel möchte ich in unseren Klassen nicht erleben.

Was würdest du gerne ändern, wenn du könntest?

Auf jeden Fall diese nervigen geplanten Spieltage unter der Woche. Für Berufstätige ist das immer ärgerlich und mich persönlich nerven solche Spieltage. Ohne jetzt einen konkreten Vorschlag zu haben, bin ich mir sicher, dass hier irgendwann eine generelle Reform des Saisonspielplans kommt. Die Tage habe ich einen Artikel vom Bayerischen Fußballverband gelesen. Dieser beschäftigt sich bereits damit.

Hast du noch sportliche Ziele oder Träume, die du mit dem TSV als Aktiver unbedingt erreichen möchtest oder ist das Karriereende gedanklich bereits in Planung?

Mein letztes Ziel war tatsächlich, die 600 zu knacken (lacht). Aber wie es weitergeht, ist noch nicht entschieden. Ich schaue jedes Jahr aufs Neue, ob es Sinn macht, noch eine Saison zu spielen. Im Alter von 40 Jahren ist es wichtig, auf den Körper zu hören. Insofern ist das Thema Karriereende natürlich jedes Jahr präsent, das muss ich zugeben. Aber eine finale Entscheidung ist noch nicht getroffen.

Vielen Dank für das Interview, André!

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